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MCU oder DCU: Welches Comic-Universum ist mehr queer?

Liebe hat viele Gesichter, aber Liebe ist immer super. Doch bei wem ist Liebe bunt-leuchtender – im MCU oder im DCU? Eine Analyse.

von

Manuel Simbürger
Manuel Simbürger

06/27/2022, 03:05 PM

Dass die Kino- und Streaming-Landschaft voll von SuperheldInnen ist, ist nicht wirklich etwas Neues. Je mehr SuperheldInnen es gibt, desto vielfältiger und bunter wird natürlich auch deren Repräsentation: Da gibt es zum Beispiel den ewig-grüblerischen Rächer, den nett-unscheinbaren Nachbarsjungen, den unfehlbaren Gott, die durchgeknallte Anti-Heldin, den mysteriösen Alien, die religiöse Teenager-Heldin, den psychisch-kranken Weltenretter oder den narzisstischen Superstar. 

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Doch Vielfalt bedeutet so viel mehr und die lebensrettende Botschaft der Diversität in all seinen Bedeutungen ist mittlerweile Gott sei Dank auch im Kosmos der SuperheldInnen angekommen:

2022 gibt es so viele (offen) queere Comic-SuperheldInnen wie noch nie zuvor. Gibt es Charaktere mit allen erdenklichen Superkräften und in allen Regenbogenfarben. Die Welt der SuperheldInnen leuchtet so bunt wie noch nie zuvor und bildet die Gesellschaft so ab, wie sie tatsächlich ist – nämlich heterogen und nicht homogen.

Und sie zeigt einmal mehr, dass wir wirklich alle SuperheldInnen sein können, wenn wir das wollen. Ganz egal, woher wir kommen, an was wir glauben, wie wir aussehen oder wen wir lieben. 

Avengers: Age of Ultron

Wo bleiben Captain America & Captain America?

Doch natürlich heißt es auch in der SuperheldInnen-Welt, das wissen Comic-Fans besser als alle anderen: Der Kampf ist nie zu Ende, der Weg vor uns ist noch lang, Hürden gibt es noch viele, die Farben könnten noch differenzierter und noch leuchtender sein.

Denn auch wenn Marvel und DC in den vergangenen Jahren in Sachen LGBTIQ-Sichtbarkeit aufgeholt haben, hinkt man der gesellschaftlichen Toleranz (wir unterstellen einfach mal, dass es diese tatsächlich gibt) noch weit hinterher. Superman & Lois Lane, Batman & Catwoman, Scarlet Witch & The Vision, Joker & Harley Quinn, Thor & Jane Foster, Captain America & Peggy Carter – die Liste der kultigen Hetero-Pärchen ist sowohl bei Marvel als auch DC lang, jene der queeren Pärchen aber nach wie vor sehr überschaubar.

Während man in den Comics – das nach wie vor die Freiheit eines Nischen-Mediums genießt – sich immer mehr traut (Stichwörter: "DC Pride"-Specials sowie gleichgeschlechtliche Ehe bei den X-Men!), die heteronormative Matrix zu verlassen, kann sich sowohl das MCU als auch das DCU nur sehr schwer daraus befreien. Sie versuchen es aber zumindest. Das familienfreundliche MCU sogar mehr als das eigentlich narrativ differenziertere DCU.

Wie queer ist das MCU?

Lange Zeit wurde das MCU kritisiert, keine LGBTIQ-Charaktere in ihren Filmen (oder Serien) zu zeigen, obwohl Marvel jener Comic-Verlag war, der bereits 1979 mit dem X-Man Northstar den ersten offen schwulen Superhelden seiner LeserInnenschaft präsentierte.

Jene Figuren, die in den Comics klar als queer gezeichnet wurden (im doppelten Wortsinn!), durften in den Filmen ihre Sexualität allerhöchstens andeuten – Valkyrie in "Thor: Tag der Entscheidung"  oder Star-Lord in den "Guardians of the Galaxy"-Abenteuern. Der erste offen schwule MCU-Charakter? Ein namenloser Mann, der nur kurz in einer Selbsthilfegruppe mit Captain America in "Avengers: Endgame" auftreten durfte. Obendrein musste sich Disney mit schweren Zensur-Vorwürfen von Pixar auseinandersetzen.

Das alles hat sich Kevin Feige offenbar zu Herzen genommen, in Phase IV des MCU durfte endlich auch der Regenbogen seinen großen Auftritt haben: In "Eternals" bekamen wir einen Kuss zwischen Phastos und seinem Ehemann zu sehen, der zwar nicht ganz so weltbewegend und berührend war wie man uns vorher glauben machen mochte – vor allem, weil die Szene nur sehr kurz war –, aber immerhin war es ein Schritt in die richtige Richtung.

"Doctor Strange in the Multiverse of Madness" zeigte sich da schon (etwas) offener, auch wenn auch hier unsere Erwartungen letztendlich enttäuscht wurden: Teenager-Heldin America Chavez wurde von zwei Müttern großgezogen, die in einer Flashback-Szene auch zu sehen waren, allerdings erneut nur sehr kurz. America selbst ist in den Comics stolze Lesbe, was im Film aber nur durch einen Pride-Button an Americas Jacke sehr vorsichtig angedeutet wurde. Ob dieser Button allerdings tatsächlich auf ihre Sexualität oder auf die Unterstützung der queeren Community aufgrund ihrer Mütter hindeutet, darüber lässt sich diskutieren.

Im kommenden Kino-Spektakel "Thor: Love and Thunder" soll Valkyrie allerdings als offen lesbisch dargestellt und in einer Beziehung mit einer Frau gezeigt werden, berichtet "Screenrant". Damit wäre die New-Asgard-Herrscherin der bisher größte und wichtigste queere Charakter im MCU. Wir sind gespannt!

Das war's auch schon wieder mit der queeren Sichtbarkeit im MCU. Und trotzdem hat sogar hier das MCU die Nase vorn, wenn man sich die LGBtIQ-Repräsentation im DCU ansieht.

Filmkritik: Birds of Prey - The Emancipation of Harley Quinn

Wie queer ist das DCU?

Böse Zungen mögen an dieser Stelle behaupten: Das DCU enttäuscht ja sowieso und kriegt gar nix auf die Reihe! In Sachen LGBTIQ-Belangen stimmt das leider irgendwie: Wonder Woman ist neben Batman die erfolgreichste Figur im DCU, hier hätte man die Chance gehabt, eine bisexuelle Powerfrau einer breiten Masse zugänglich zu machen – liebt Diana Prince (schon ihr Name ist herrlich nicht-binär!) in den Comics doch offiziell sowohl Frauen als auch Männer. In den Filmen gehört ihr Herz allerdings ausschließlich Steve Trevor. Von ihrer Bisexualität ist nicht die Rede.

Die zweite bekanntere queere Figur im DC-Kosmos ist Harley Quinn, Jokers Ex-Freundin und (in den Comics) aktuell mit Poison Ivy liiert. In beiden "Suicide Squad"-Filmen behält Harley ihre sexuelle Ausrichtung jedoch für sich, sie wird nicht erwähnt. Auch in ihrem (Quasi-) Solo-Film "Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn" wird ihre Bisexualität nur im Intro sowie mit subtilem Flirten angedeutet.

Allerdings gibt es in eben diesem Film auch noch Polizistin Renee Montoya, die auch in den Comics offen lesbisch lebt und sich auf der Leinwand mehrmals mit ihrer Ex-Frau streitet. Wenigstens bei einer Nebenfigur ist der Streifen seiner Message der authentischen Selbstfindung treu geblieben. Montoyas queere Storyline ist zwar mehr, als uns (bisher) das MCU geboten hat, der fahle Nachgeschmack des massiven Straight-Washing von Wonder Woman und Harley überwiegt aber.

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Marvel-Serien: Bunt, aber die Farben fehlen

Das DCU und das MCU begrenzen sich bekanntlich nicht nur auf die Kinoleinwand, sondern beziehen auch jede Menge TV- und Streaming-Serien mit ein. Und hier sieht die LGBTIQ-Sichtbarkeit schon deutlich anders aus.

Beginnen wir nochmal mit Marvel: Dass sich Kate Bishop, die Schülerin von Clint Barton in "Hawkeye", zu anderen Frauen hingezogen fühlen könnte, wurde in der Serie nur zwischen den Zeilen angedeutet – was allerdings sogar eine Idee der AutorInnen gewesen sein dürfte, denn in den Comics gibt es keinen Hinweis darauf, dass Kate queer ist. Hier hat das MCU also tatsächlich Eigeninitiative ergriffen. 

In "Hawkeye" lernen wir zudem Kates Freundin Wendy Conrad kennen, die ganz beiläufig mal ihre Frau erwähnt. Wir sind sicher: Wenn du in diesem Moment nebenher wieder mal auf Insta unterwegs bist, hast du den Moment glatt verpasst. 

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Viel präsenter war da schon Jeri Hogarth, die korrupte und lesbische Anwältin in der dreckigen Feminismus-Serie "Marvel's Jessica Jones" (lief aber ursprünglich auch auf Netflix, wo man generell einen queer-liebenden Standpunkt vertritt), die sich niemals für ihre Sexualität rechtfertigte und zudem zu den faszinierendsten Figuren der Serie gehörte. Schade, dass Jeri niemals Glück in der Liebe gegönnt war – was Erinnerungen an frühere Hollywood-Filme aufkommen lässt, in denen homosexuelle Beziehungen (beziehungsweise Charaktere) a priori zum Scheitern verurteilt waren.

Ach ja, Fan-Liebling Loki hat sich in seiner eigenen Serie in einem Gespräch mit seiner weiblichen Variante Sylvie zu seiner Bisexualität bekannt – allerdings erneut so derart nebenbei, dass man schon genau hinhören musste, um es überhaupt mitzubekommen. Schade, hier hat Marvel eindeutig (queeres) Potenzial verschenkt, denn in den Comics ist Loki nicht nur bisexuell, sondern auch genderfluid. Hier ging das MCU – wieder mal – lieber den sichereren und somit langweiligeren Weg.

DC-Serien: Der Regenbogen im Dunkeln

Man mag vom oftmals sehr seichten DC-Arrowverse halten, was man möchte, aber wenn es um queere Sichtbarkeit geht, hat es im Vergleich zu Marvel TV die Nase vorne: Die erste queere Figur stellte das Arrowverse (passenderweise) bereits in der zweiten Staffel von "Arrow" or, als Sara Lance von ihrer Bisexualität erzählte.

Seitdem gehen in "Arrow" und den Spin-Off-Serien zahlreiche queere Charaktere ein und aus. Die werden zwar nicht immer optimal dargestellt, aber sie müssen sich immerhin auch nicht mit kleinen Nebenstories begnügen, sondern werden ernst genommen und vor allem dreidimensional gezeichnet.
 

Sara stieg später zu einer Hauptfigur in der Serie "DCs Legends of Tomorrow" auf und durfte dort gar eine Frau heiraten. "Supergirl" wurde in der queeren Community aufgrund der Figur der Alex Danvers gefeiert, der lesbischen Schwester von Supergirl, die in der Serie zum Hauptcast gehört und auch deren Darstellerin Chyler Leigh zu ihrem Coming-Out ermutigte. Zudem zeigte "Supergirl" mit Dreamer die allererste Trans-Superheldin in der TV-Geschichte – authentisch dargestellt von Trans-Schauspielerin Nicole Maines.

Der größte Regenbogen-Leuchtpunkt ist aber die Serie "Batwoman", in der die Titelheldin selbst anstatt einer (wenn auch wichtigen) Nebenfigur queer sein darf. Noch dazu ist Javicia Leslie, die ab Staffel Zwei Batwoman gibt, eine der sehr wenigen Schwarzen SuperheldInnen. 

Und auch bei den Serien darf Kasperl-Frau Harley Quinn nicht fehlen: In der großartigen nach ihr benannten Animationsserie für Erwachsene haben Harley und Poison Ivy, gemäß den Comics, endlich zueinander gefunden.

Zuletzt sorgte die ohnehin bereits bejubelte Superhelden-Serie "Peacemaker" für noch mehr Applaus, als John Cena öffentlich bekannt gab, Peacemaker sei der erste offen männlich queere Superheld des DCEU. 

Fazit

Wie so oft im Leben zeichnet sich auch in Sachen LGBTIQ-Repräsentation im MCU und DCU kein klarer Gewinner ab: Während das MCU auf der Kinoleinwand die queere Nase vorne hat, hat das DCU bei seinen Serien die queere SuperheldInnen-Vorreiterrolle inne. Die DCU-Serien haben keine Scheu davor, LGBTIQ-Charaktere in ihre Stories miteinzubeziehen, sie offen und kompromisslos zu zeigen und somit für mehr gesellschaftliche Sichtbarkeit zu sorgen. 

Im Kino allerdings ist sowohl bei Marvel als auch bei DC noch immense Luft nach oben, denn die Zeiten, in denen gleichgeschlechtliches Begehren nur zwischen den Zeilen angedeutet wird, muss eindeutig vorbei sein. Das MCU ist seit "Star Wars" das erfolgreichste Franchise der Popkultur und es muss sich deshalb dessen gesellschaftlicher Verantwortung bewusst werden.

Vielleicht hat das DCU, wie die KollegInnen von "Screenrant" vermuten, es aufgrund seines fehlenden zusammenhängenden Universums leichter, sozialkritische Themen anzusprechen und über den (heteronormativen) Mainstream-Tellerrand zu blicken. DC hat ohnehin das Image, progressivere und erwachsenere Geschichten als Marvel zu erzählen, was natürlich weniger einengend auf queere Repräsentation (übrigens sind queere Männer im DCU als auch MCU unterrepräsentiert – empfindet man weibliche Sexualität etwa als weniger bedrohlich?) wirkt.

Der ständige Wunsch von Marvel, nicht anzuecken, allen zu gefallen und rund um familienfreundlich zu sein, schadet der Marke, wenn es um die Inklusion des Regenbogens geht. Und wenn es um den langfristigen Erfolg an sich geht. Denn dieser ist auch bei so übermrächtigen Franchises wie dem MCU nur dann möglich, wenn wir uns mit den uns präsentierten SuperheldInnen identifizieren können und eine Welt erkennen, die so ist wie die, in der wir leben.

Denn die wahre Stärke von Identifikation liegt nicht in übernatürlichen Fähigkeiten und lässigen Sprüchen, sondern in der Kraft und dem Mut, man selbst sein zu dürfen – und das macht doch wahre SuperheldInnen aus. 

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