"Once Upon A Time in Hollywood": Tarantino macht (fast) auf Jarmusch

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Film-Genre

Was ist ein Hangout-Movie?

Das sind die Kriterien und einige Beispiele für das schwer einzugrenzende Filmgenre, das angeblich von Quentin Tarantino erfunden wurde.

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Erwin Schotzger
Erwin Schotzger

09/11/2019, 01:19 PM

Was ist ein Hangout-Movie? Der Genrefilm treibt ja immer wieder seltsame Blüten. Von den großen Genres wie Action, Horror, Science-Fiction, Fantasy oder Romantische Komödien einmal abgesehen, gibt es auch zahlreiche Nischen: In Heist Movies geht es um Raubüberfälle, in Revenge Movies um Rachefeldzüge, in Road Movies um eine Reise und in Stoner Movies spielt der Konsum von Marihuana eine wesentliche Rolle. Aber worum geht's in einem Hangout Movie?

Der Begriff geht angeblich auf niemand Geringeren als Quentin Tarantino zurück. In einem Porträt des Star-Regisseurs im US-Magazin "The New Yorker" (im Jahr 2003) schreibt die Journalistin Larissa MacFarquhar über Tarantinos Liebe zu "Hangout Movies". Tatsächlich ist Tarantino dafür bekannt, Filme in ausgefeilte Subgenres einzuteilen. Er selbst hat den Begriff immer wieder verwendet, vor allem im Bezug auf den Western-Klassiker "Rio Bravo" (1959) und den Richard Linklater-Film "Dazed and Confused" (1993). Demnach geht es bei einem "Hangout Movie" eben vor allem darum, mit den Charakteren des Films gemütlich abzuhängen – also mit ihnen wie mit Freunden eine gute Zeit zu verbringen.

Das seltsame Genre ist schwer gegenüber anderen Genres abzugrenzen. So geht es in Stoner Movies auch meist recht gemütlich zu, aber oft steht der Plot im Vordergrund. Das gilt auch für Road Movies, bei denen man viel Zeit mit den Charakteren verbringt, die meist nicht viel mehr machen als sich von einem Ort zum anderen zu bewegen.

Folgende Kriterien sollte ein Film erfüllen, um sich als "Hangout Movie" zu qualifizieren:

 

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1. Charaktere vor Plot

Die eigentliche Attraktion eines Hangout Movies sind laut Tarantino immer die Charaktere selbst, nicht das was eigentlich passiert. Die Handlung oder auch die Kameraführung können durchaus beeindruckend sein, aber letztendlich braucht der Film keinen sich aufbauenden Spannungsbogen. Nicht die Aktionen der Charaktere sind entscheidend, sondern vielmehr deren Gespräche und Interaktionen. Vieles passiert zwischen den Zeilen. Man schaut den Film vor allem gerne, um die Menschen darin kennenzulernen. Dadurch ist auch die Besetzung ein wichtiges Kriterium. Es braucht ein starkes Ensemble an Schauspielern, zwischen denen die Chemie stimmt.

Der Meister dieser Kategorie ist – neben Tarantino selbst – vor allem Richard Linklater: nicht nur mit dem bereits genannten Film "Dazed and Confused" (1993), auch die "Before Sunrise"-Trilogie und "Everybody Wants Some!!" (2016) passen perfekt in dieses Genre.

 

2. Gruppe vor Individuum

Zwar kann ein Hangout Movie durchaus von einem zentralen Charakter geprägt werden, aber dieser Protagonist ist dann immer Teil einer Clique. Das beste Beispiel hierfür ist "The Big Lebowski" (1998) von Joel und Ethan Coen. Der "Dude", unvergesslich gespielt von Jeff Bridges, ist zwar der Hauptprotagonist, aber ohne Walter (John Goodman) und Donny (Steve Buscemi), mit denen er die meiste Zeit beim Bowlen verbringt, würde die Geschichte nicht funktionieren. Zumindest zwei Protagonisten sollten es schon sein, wie etwa bei "Clerks – Die Ladenhüter" (1994) von Kevin Smith. Der Zuschauer hängt laut Tarantino beim Schauen des Films mit den Charakteren ab und wird sozusagen zum Teil der Clique.

 

3. Langsam und mit Abschweifungen

Das Pacing (Erzähltempo) eines Hangout Movies ist langsam. Oft sogar sehr langsam und immer wieder durch Abschweifungen geprägt. Die Gruppe, um die sich der Film dreht, geht es gemütlich an. Anders als beim Road Movies verfolgen die Charaktere kein Ziel (oder bewegen sich darauf zu), zumindest nicht aktiv. Das ist wohl auch ein Grund, warum Tarantino den Western "Rio Bravo" als Hangout Movie betrachtet: Sheriff Chance (John Wayne), seine beiden Hilfssheriffs Dude (Dean Martin) und Stumpy (Walter Brennan) sowie der der junge Revolverheld Colorado (Ricky Nelson) warten einfach auf die nahende Bande, die einen Gefängnisinsassen befreien will.

Der Zuseher verbringt dadurch viel Zeit mit den Protagonisten. Oft dauern Hangout Movies auch sehr lang, allerdings ist die Überlänge kein zwingendes Kriterium. Untypisch ist bei "Rio Bravo" auch der durchaus spannende Plot. Das hat der Western mit eher Plot-starken Filmen wie "Death Proof" und "Jackie Brown" gemeinsam, die Tarantino ebenso als Hangout Movies betrachtet wie sein neuestes Werk "Once Upon A Time In Hollywood". Das langsame Pacing ist aber ein wichtiges Kriterium für alle Hangout Movies.

 

4. Musik macht Stimmung

Nicht jeder Film mit einem chilligen Soundtrack ist ein Hangout Movie, aber in jedem Hangout Movie unterstreicht die Musik das Lebensgefühl der Charaktere und die Stimmung des Films. Daher ist der Soundtrack eines Hangout Movies – von Ausreißern abgesehen – über weite Strecken sehr entspannt oder melancholisch. Während die Musik in vielen Filmen für Action sorgt, nimmt die Musik hier das Tempo eher heraus. "Dazed and Confused" ist hier wieder ein gutes Beispiel, aber auch in den Filmen "American Graffiti" (1973), "The Breakfast Club" (1985), "Reality Bites – Voll das Leben" (1994) und "Singles – Gemeinsam einsam" (1992) spielt Musik eine wesentliche Rolle.

 

5. Immer wieder gerne schauen

Hangout Movies schaut man sich laut Tarantino auch immer wieder gerne an. Nicht mehrmals hintereinander, aber immer wieder gerne in längeren Abständen. So wie man sich auch mit alten Freunden immer wieder gerne trifft. Auch hier ist wieder Richard Linklater ein gutes Beispiel, der diesen Zugang mit "Before Sunrise", "Before Sunset" und "Before Midnight" sogar in Form einer Trilogie umgesetzt hat: Über Jahre hinweg kehren wir immer wieder zu Jesse (Ethan Hawke) und Celine (Julie Delpy) zurück und schauen, was aus ihnen geworden ist. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Duane (Jeff Bridges) und Jacy (Cybill Shepherd) in den beiden Filmen von Peter Bogdanovich, "Die letzte Vorstellung" (1971) und der Fortsetzung "Texasville" (1990).

 

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